In unserer Serie “DesignTalk” sprach NeueUhren.de mit Sylvain Berneron, seit Ende 2018 Creative Director bei Breitling, unter anderem darüber, wie man vom Motorrad- zum Uhrendesign kommt.
? NeueUhren.de: Sylvain, was war letztlich der ausschlaggebende Grund dafür, daß Sie sich für das Uhrendesign entschieden haben? Wo Sie sich doch bereits in jungen Jahren für den Motorrad-Rennsport interessiert hatten?
Sylvain Berneron: Das Motorradfahren war bei uns zu Hause „Familiensport“, aber sowohl mein Vater als auch meine Brüder besaßen Schweizer Uhren und so hatte ich schon früh damit Kontakt, auch wenn ich lange noch kein professioneller Uhrenkenner und -Sammler war.
Meine Designkarriere begann mit 19 Jahren als Werkstudent bei BMW in München, wo ich sechs Jahre gelebt habe. Danach ging ich für ca. drei Jahre als Freelancer nach Paris, wo ich für verschiedene Marken, unter anderem im Bereich Motorraddesign tätig war. Damals hatte ich Gelegenheit, als Uhren-Designer für einzelne Projekte einer größeren Uhrengruppe tätig zu sein, die eine Verbindung zum Motorsport hatte. So kam ich nach Genf und war dort für fast vier Jahre im Uhren-Design tätig, bevor ich Ende 2018 zu Breitling wechselte.
? NeueUhren.de: Sie sind, nach offizieller Lesart, als Creative Director für alle Designaspekte bei Breitling zuständig, vom Produktdesign, Grafik Design, CGI bis zur Fotografie reicht das Spektrum. Sind Sie denn noch in das Uhrendesign involviert, oder ist das nur ein Teil, dem Sie sich im Rahmen ihrer Gesamtaufgaben nur peripher widmen?
Sylvain Berneron: Als Creative Director ist meine Hauptaufgabe das Design und die Entwicklung neuer Produkte. Somit gehören die Bereiche Grafik Design, CGI und Fotografie auch zu meinem Aufgabengebiet.
? NeueUhren.de: Wie stark beeinflussen das Marketing und technische Parameter das Design?
Sylvain Berneron: Als Designer ist es mein Ziel, beide Bereiche, also Technik und Marketing in die Planung und Kreation neuer Produkte einzubeziehen. Gutes Design soll die Erwartungen der Kunden erfüllen, und da Breitling eine High-End-Marke ist, ist es unser Bestreben, Produkte zu einem angemessenen Preis mit hervorragender und zuverlässiger Technik anbieten zu können. Gutes Design ist Teil der Marketingstrategie, aber auch Ausdruck der Excellenz eines Produktes.
? NeueUhren.de: Lassen sie uns den Uhrenmarkt mal in die Kategorien Klassische Uhren/Dresswatches, Sportuhren (Chronographen, Piloten-und Taucheruhren) und Uhren mit sehr technischem Design segmentieren. Und dann finden wir- unabhängig von diesen Kategorien und übergreifend – zunehmend Uhren im Retro-Design. Ist das ein von der Uhrenindustrie „gemachter“ Trend, oder ein Trend, der aus dem Käufermarkt durch die Nachfrage nach bestimmten Modellen kommt?
Sylvain Berneron: Ich denke, daß alle historischen Uhrenmarken, die über ein umfangreiches Archiv verfügen, erstmal einen klaren Vorteil haben. Unser CEO Georges Kern hat sich die Geschichte der Marke gemeinsam mit dem renommierten Breitling-Sammler Fred Mandelbaum genau angesehen, und schnell erkannt, dass dort ein Schatz liegt. Ikonische Produkte wie die Top Time, Premier-Modelle oder die Superocean 57 haben ihre Wurzeln in den 40er, 50er und 60er Jahren. Es war eine Freude, gemeinsam mit Fred diese „Hidden Treasures“ zu reaktivieren.
Aber es gibt weitere Aspekte, wie die aktuelle von der Pandemie und dem Klimawandel geprägte Situation, die potenzielle Kunden dazu bewegt, sich an „sicheren“ Werten und Anlagen zu orientieren. An Marken, die man kennt, bei denen man weiß, woher sie kommen, wofür sie stehen und die – wie Breitling – eine lange Tradition haben.
? NeueUhren.de: Bedeutet das, daß Marken mit dem umfangreichsten Archiv als Basis für die Lancierung von Re-Issues damit die besten Aussichten haben, in Zukunft erfolgreich zu verkaufen?
Sylvain Berneron: Ich denke ja. Wenn ich mich für eine Fliegeruhr einer Marke wie Breitling interessiere, von der ich weiß, daß sie eine entsprechende Geschichte hat und in diesem Bereich auf historische Pionierleistungen zurückblickt, dann macht das das Produkt glaubwürdiger.
? NeueUhren.de: ist es ein großer Unterschied, ob man als Designer für eine unabhängige Marke wie Breitling, oder eine Marke tätig ist, die einer der großen Gruppen angehört?
Sylvain Berneron: Ein klares ja. Seit ich für Breitling und Georges Kern arbeite, der dafür bekannt ist, mutige und schnelle Entscheidungen zu treffen, fühle ich mich freier, auch neue Dinge ausprobieren zu können. Und glauben Sie mir, wir haben eine Menge Projekte in der „Pipeline“.
? NeueUhren.de: An wie vielen Projekten arbeiten Sie parallel?
Sylvain Berneron: Es klingt vielleicht etwas verrückt, aber gegenwärtig sind es etwa 100 Projekte. Dazu zählen beispielsweise Limited Editions, die aktuellen Produkt-Lancierungen, und Projekte, die nicht unmittelbar mit einem Launch-Datum zusammenhängen.
Wir haben eine Menge Projekte in der „Pipeline“
? NeueUhren.de: Wieviele Mitarbeiter sind in der Designabteilung von Breitling tätig?
Sylvain Berneron: Im gesamten Kreativ-Team sind 8 Mitarbeiter tätig.
? NeueUhren.de: Wie lange dauert der Zeitraum von der Entscheidung ein neues Produkt herzustellen bis zum Launch eines neuen Modelles?
Sylvain Berneron: Das Minimum ist ein Jahr, wenn wir eine neue Version eines bestehenden Modelles ab der ersten Skizze planen. Ich musste lernen, daß die Umsetzung und Gewährleistung der überdurchschnittlich hohen Qualitätsanforderungen von Breitling ihre Zeit benötigen..
? NeueUhren.de: Wie sieht es bei neuen Modellen aus?
Sylvain Berneron: Die Entwicklung eines neuen Modelles, bei dem ein bereits bestehendes Werk zum Einsatz kommt, dauert zwei bis drei Jahre, abhängig von der Komplexität oder dem Einsatz neuer Technologien.. Vor einigen Jahren lancierten wir die neue Superocean 48 mit einer Sicherungssperre, mit der die Drehlünette arretiert werden kann. Da waren es rund drei Jahre, weil wir ausführliche Tests an und mit der Lünette durchführen mussten
Wenn wir neue technische Entwicklungen im Werk planen, kann es fünf bis sechs Jahre dauern, weil unzählige neue Komponenten gefertigt und getestet werden müssen.
? NeueUhren.de: Was war die bisher härteste Herausforderung für Sie in der Zeit, in der Sie bei Breitling tätig sind?
Sylvain Berneron: Da gab es mehrere. Aber zu den Bedeutendsten zählt sicher das neue Rouleaux-Armband der Chronomat-Kollektion, das wir vor zwei Jahren lanciert haben. Das Armband besteht aus 110 verschiedenen Komponenten und Sie können sich vorstellen, dass diese komplexe Konstruktion unsere Zulieferer herausgefordert hat. Zusammenfassend kann ich sagen, dass dieses Stahlarmband ein Beispiel moderner Technologie ist, daß wir heute dank moderner Maschinen entwickeln und herstellen können.
Eine weitere Herausforderung war die Superocean 48 mit dem antimagnetischen Werk, die neue Premier Heritage, bei der wir tief in die Archive eingetaucht sind, um den Stil von Breitling aus den 40er und 50er Jahren herauszuarbeiten. Gerade die komplexen Zifferblatt-Varianten sind in Bezug auf die stilgerechte Typographie eine Herausforderung und jedes Detail zählt am Ende für den Erfolg der Kollektion.
? NeueUhren.de: Ende vergangenen Jahres feierte Breitling das 70jährige Jubiläum des Navitimers für die AOPA – werden wir die AOPA-Flügel in diesem Jahr auf einer (vermutlich limitierten) Jubiläumsedition sehen?
Sylvain Berneron: Ich kann dazu aktuell nicht viel sagen, außer dass es mehr sein wird als nur eine Hommage oder eine Jubiläumsedition.
? NeueUhren.de: Werden wir 2022 mehr Breitling-Neuheiten erleben als 2021?
Sylvain Berneron: In Bezug auf Launches werden es in etwa so viele sein wie 2021, die jedoch in Bezug auf Volumen und Komplexität mit deutlich mehr Aufwand verbunden sind.
? NeueUhren.de: Sylvain, Sie besitzen zwischenzeitlich sicher einige Breitling Uhren: welches ist ihr Favorit, und welches Modell tragen sie am häufigsten?
Sylvain Berneron: Das hängt mit dem Anlass zusammen. Eine meiner häufig getragenen Uhren ist die Chronomat B01 42 mit dem bereits erwähnten Rouleaux-Armband, weil es sich sehr komfortabel tragen lässt und die typische Breitling-DNA hat.
Zu mehr formaleren Anlässen trage ich gerne eine Premier mit Goldgehäuse und weißem Zifferblatt. Ich freue mich, daß wir mit den Premier Heritage-Modellen wieder einige Handaufzugswerke in der Kollektion haben. Ich habe auch eine Superocean 57 mit einem Milanaise-Band (Das Breitling Milanaise-Band ist eines der besten der Branche.).
NeueUhren.de: Sylvain – mit dieser Frage möchte ich unser Gespräch beenden und danke Ihnen für die Zeit, die Sie sich dafür genommen haben. Ich hoffe, wir sehen uns demnächst auch persönlich – ob auf einem Event, einer Messe oder bei Breitling.
(Das Bildmaterial zu diesem Beitrag wurde uns freundlicherweise von Breitling zur Verfügung gestellt – alle Bilder © by Breitling)